Vorstellung des Projekts

Wir, Lena Fischer und Marietta Geiger, sind zwei Master-Studentinnen der Kunst- und Bildgeschichte an der Humboldt Universität zu Berlin und die Leiterinnen des Projekttutoriums (Re-)Aktion - Das Wechselspiel von Kunst, Ausstellungspraxis und Umwelt. Da wir ökologische Problemstellungen in der (kunsthistorischen) Lehre als unterrepräsentiert wahrnehmen, wünschten wir uns einen möglichst interdisziplinären Rahmen zum Austausch über die Klimakrise und ihre Auswirkung auf kulturelles Schaffen. Im Sommersemester 2022 und Wintersemester 2023 durften wir mit dem Projekttutorium diesen Rahmen schaffen und stießen auf eine hohe Nachfrage seitens der interdisziplinären Studierenden.

Umweltschutz prägt als Diskurs auf globaler Ebene die zeitgenössische Gesellschaft. Die Folgen der stetig zunehmenden Nutzbarmachung und Vereinnahmung von Flächen sowie Ressourcen äußern sich im Artensterben, Boden-, Wasser- und Luftverschmutzungen und in der Erwärmung des Weltklimas. Aus diesem Wissen resultieren immer stärkere Forderungen nach einem reflektierten, nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Ein Wandel bedarf jedoch einer Bewusstwerdung der Problematik und eine daraus resultierende Umstellung der Haltungs- und Handlungsgewohnheiten eines großen Teils der Weltbevölkerung und -politik. Künstler*innen können in diesem Prozess die Rolle von reflektierten Kritiker*innen einnehmen, indem sie das Verhältnis von Menschen und Natur beobachten und darauf reagieren. Die Künste erhalten dadurch potenziell eine (sozial-)politische Ebene und leisten einen Beitrag zur politischen Bildung.

Doch gleichzeitig fragen wir uns: Inwiefern ist dieser Blick auf das Potential der Kunst überhöht und problematisch? Immerhin ist sie selbst als Akteurin in den ökonomischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten eingewoben und bezieht daher Vorgehensweisen, Schaffensprozesse, Materialien und gesellschaftliche Konventionen daraus. Derartige Paradoxien veranschaulichen exemplarisch ganze Strömungen, wie die Pop Art, die zwar Konsumkritik äußert, jedoch selbst Serienproduktion und kommerzielle Bildsprachen nutzt. Ähnliche Widersprüche lassen sich auch bei der Land Art feststellen, deren Künstler*innen ein enges Verhältnis zur Natur und Umwelt aufweisen, diese jedoch massiv vereinnahmen und teilweise schädigen.

Neben einzelnen Künstler*innen und Werken (1) war für uns auch ein Blick auf die Kunstökonomie und Kunstvermittlung zur Erschließung des Verhältnisses von Kunst und Umwelt(-schutz) entscheidend. Wie werden Ausstellungen zu den Themen Natur, Ökologie und Landschaft konzipiert? Welche Schwerpunkte werden gewählt? Diese Annäherung ermöglicht einen Einblick in die kuratorische Praxis und kunsthistorische Narrative. Ebenso ist zu hinterfragen, wer derartige Projekte finanziert. Welche Firmen betreiben Kultursponsoring und inwiefern entstehen dadurch Bereicherungen und/oder Einschränkungen für kritische Kunst?

Die Kunst hat damit das Potential zur kritischen Reaktion, agiert jedoch auch innerhalb ökonomischer und politischer Systeme. Die Auseinandersetzung mit den aufgeführten Projekten soll ein Verständnis für die Vielschichtigkeit der Thematik schaffen und diverse Standpunkte und Methoden verdeutlichen. Dabei dient die Heranziehung dieser dem Ziel einer Aufschlüsselung der verschiedenen Konzepte zur künstlerischen und kuratorischen Position im Thema Umwelt und Umweltschutz. Unser Blick richtet sich bewusst auf einen größeren Zeitrahmen, vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, um historische Prozesse und die Herausbildung verschiedener Konzepte greifbar zu machen. Wir streben eine vielschichtige und kritische Auseinandersetzung an, die verschiedene künstlerische Umweltkonzepte greifbar, aber auch die Methoden und das Potential von Kunst hinterfragen soll.

Die Form des Projekttutoriums bot uns die Möglichkeit, praxisnah zu arbeiten und den digitalen Raum bzw. den Seminarraum zu verlassen. Außerdem scheint es eine der wenigen Chancen, während des Studiums mit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe in einen Austausch auf Augenhöhe treten zu können, um ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen. Aus diesen Anreizen heraus gestalteten wir den Semesterplan heterogen mit Exkursionen, Gastvorträgen und Sitzungen im Seminarraum. Dabei möchten wir uns herzlich für die großzügige Förderung unseres Projekts durch den Verein zur Förderung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der HU zu Berlin e. V. bedanken, der dieses Archiv möglich machte. Die Studierenden verfassten als Studienleistung (Text-)Beiträge, die auf freiwilliger Basis jeden dritten Sonntag im Monat veröffentlicht werden.

(1) Der Begriff „Werk” schließt an dieser Stelle für uns Aktionskunst, Happenings, Performances und ähnliche nicht materielle Kunst ein.